Enttäuschung

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Traurigkeit tut unheimlich weh, überhaupt wenn sie als Stiefkind behandelt wird. Und Enttäuschung ist die große Schwester der Traurigkeit. Ähnlich und doch ganz anders. Denn bei der Enttäuschung kommt auch Traurigkeit hoch, sie ist jedoch noch von Verzweiflung und Bitterkeit umgeben.

 

Da tut es dann, wenn wir es zulassen, so richtig weh. Ein Schmerz von der aller feinsten Art. Und ein richtig guter Genosse, um dann ohne es zu bemerken, talabwärts direkt in eine Depression zu fallen. Wie schnell das geht? In Bruchteilen von Sekunden, du merkst es gar nicht und schon bist du mittendrin.

 

Nichts ist mehr schön, gut oder lebenswert. Alles geht buchstäblich den Bach runter. Du spürst nur noch diesen unsagbaren Schmerz so tief im Herzen, dass du glaubst jetzt gleich ist es vorbei. Keine Luft zum Atmen. Die Augen brennen, du kannst nichts mehr sehen. Alles verwandelt sich in grau und scheint hinter einem Schleier verborgen. Dein Körper fährt auf Notstrom. Du ziehst dich durch den Tag.

Aber die größte Anstrengung ist, dies alles tief in dir zu verbergen. Schön alles unter Kontrolle halten.

Doch das gelingt nicht, ein Lächeln kostet so viel Kraft, und ähnelt dann eher einer Grimasse. Eigentlich willst du nur allein sein und dich diesem untragbaren Untergangsschmerz hingeben. Und damit das so richtig runter geht, und in jeder Zelle deines Körpers und deines Bewusstseins ankommt, holen wir uns noch eine ganz große Portion Selbstmitleid dazu. Ja damit es so richtig, richtig schön weh tut.

 

Und nach gefühlten Ewigkeiten des Schmerzes, beginnen wir einen Schuldigen zu suchen. Wer hat uns das angetan? Warum sind wir so arm und verletzt, obwohl wir doch so gut zur Welt sind? Wir haben das auf keinen Fall verdient. Wo sind sie alle, für die man sich aufgeopfert hat, für die man alles gegeben hat. Sich scheinbar zu weit aus dem Fenster gelehnt hat. Warum ist jetzt keiner da, wenn wir mal was brauchen?


Und diese Spirale kann man jetzt noch etwas tiefer und schmerzhafter ansetzen. Indem man so richtig in dieser Verzweiflung badet, und alles andere ausblendet. Nur noch Schmerz, Verzweiflung, Enttäuschung und das ganz tief ins Herz lassen. Sich einsperren, niemanden an sich ran lassen. Sind doch alle so böse. Und wenn man das so richtig durchhält und jeden Tag verinnerlicht, dann kann das aber so richtig in der Tiefe enden. Wo dann alles egal ist und man nur noch sterben möchte.

 

Meistens mischt sich dann noch die Wut ein. Natürlich erst mal auf all die Andern, die sich nicht um uns kümmern. Tja und irgendwann richtet sich die Wut auch an uns selber. Was manchmal noch schlimmer ist. Und genau dann, ist es allerhöchste Zeit wieder in die Selbstverantwortung zu gehen.


Anstelle jetzt mit allen Konsequenzen einen Schuldigen zu suchen, mal durchatmen, hinsetzen und alles da sein lassen. Und mit alles mein ich wirklich die ganze Palette an Frust und Gefühlen, die sich da wie ein Vulkan im Inneren zusammen gebraut hat. Und dann hinschauen.

 

Was hat mich so sehr enttäuscht, dass ich es beinahe nicht ertrage? Wer hat dazu beigetragen, dass ich in diese Situation gekommen bin? Und glaubt mir, es gibt weder Schuld noch Schuldige. Es gibt nur uns, die eine Situation nicht gleich erkennen konnten, nicht nachgefragt haben, wozu das jetzt so gelaufen ist.

Es gibt keine Zufälle, oder Ungerechtigkeiten. Es gibt Lernschritte. Und Lernschritte im Leben können sich leichter vollziehen, oder eben härter.

Unsere Seele tut nichts einfach so. Sie hält sich schön an unseren Lebensplan. Nur wenn wir wieder mal nicht bewusst gedacht, gelebt oder ganz klar definiert haben, was wir und wie wir Situationen oder Lernschritte vollziehen wollen, dann kommt es manchmal halt anders als erwartet.

 

Und am meisten weh tut die Geschichte dann, wenn wir uns mit Anderen vergleichen, nicht in unserer Mitte sind. Unseren Wert und unsere Liebenswürdigkeiten davon abhängig machen, wieviel Leistung wir erbracht haben, wieviel Freunde wir haben müssen, wie beliebt man sein muss, welche Noten wir erhalten.

 

Bin ich ein anderer Mensch, wenn ich nur einen guten Freund habe? Bin ich schlechter, weil ich nicht immer der Beste bin? Fällt meine Wertigkeit mit jedem Fehler, den ich mache? Wenn wir unser Leben auf diese Weise spielen, dann kann ich euch versichern, dass wir auf voller Länge versagen werden. Egal wie viel und wie hart wir uns in irgendwelche Situationen reinhängen. Es funktioniert nicht.

Wir müssen endlich loslassen, vom Bewerten, Entwerten, überhaupt alles und jeden miteinander zu vergleichen.

Wir müssen endlich aufstehen, und zu unserer Individualität stehen. Zu unserer Persönlichkeit. Uns selber mal wertschätzen lernen, genauso wie wir sind.

Annehmen, diese wunderbare Seele und dieser hervorragender Mensch, der wir sind. So authentisch wie möglich. Einfach den Mut haben und aufstehen und sagen, ja das bin ich mit allem was da ist, ohne zu werten. Einfach lieben und annehmen.

Das Leben ist so viel schöner und leichter, wenn wir mit weniger Ballast reisen. Weniger Maßstäbe setzen. Weniger beanstanden und ausrichten. Allem und jedem seine Individualität lassen. Denn wenn ich mir und anderen die Chance gebe, jedem seine Meinung, seine Anschauung zugestehe, dann sind wir im Zentrum des Seins angelangt. Wo wir genießen können und dürfen. Wo wir auch hinter jeder schweren Situation all die kleinen Lichtblicke, die ja auch immer dabei sind, wertschätzen und anerkennen dürfen.


Denn meistens ist die Enttäuschung da, weil wir zu viel von uns selbst erwarten, und dann gehen die vielen schönen Momente unter, die eigentlich das Geschenk aus dieser Situation sein sollten. Und glaubt mir, keinem von uns geht es anders, auch wenn einige schon mehr bewusst sind, als andere. Und wenn man noch so positiv und eine stabile Grundeinstellung zum Leben hat, so gehört es immer auch dazu weiterzugehen und neue Herausforderungen anzunehmen, und liebevoll ins Bewusstsein zu holen. . .

Das Leben wird uns immer wieder neu herausfordern, es liegt aber an uns wie schnell wir bereit sind, das Ruder wieder zu wenden, wenn wir mal falsch abgebogen sind.

 

 

© Claudia Müllner, 2015 - Meine Texte dürfen für private Zwecke gerne geteilt werden. Für gewerbsmäßige Nutzung bedarf es einer vorherigen schriftlichen Kontaktaufnahme mit mir und meiner schriftlichen Zustimmung.

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